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Einsteiger Longboard – Der ultimative Guide 2022

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Hobby ist Passion. Und wenn es um die Leidenschaft geht, dann arten Diskussionen schon einmal derart aus, dass die Fetzen fliegen und auf Argumente wohl oder übel Beleidigungen folgen. Das Thema Longboard polarisiert nicht mehr ganz so heftig wie noch vor fünf Jahren. Doch die Probleme bleiben die gleichen.

Falls Du also ein Longboard kaufen willst – gehe in den Fachhandel. In diesem speziellen Fall ist es der Skateshop vor Ort. Dort kannst Du alle möglichen Boards testen und Dir einen Eindruck schaffen. Wenn die Dudes einen Plan haben, davon gehen wir aus, dann werden sie Dir den Unterschied zwischen miesen und guten Rollen erklären und warum die Optik am Ende Deine Longboardkarriere schneller beenden kann, als Du vom Board springen kannst.

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Unverzeihbar: Wenn man sich stundenlang im Shop beraten lässt, um dann bei einem der großen Marktplätze ein adäquates Board zu kaufen. Das andere Szenario – und auch hier sprechen wir aus Erfahrung – ist auch nicht schlecht. Beraten lassen, dann mit einem Kopfschütteln den Laden zu verlassen, da die Produkte zu teuer sind. Man hat ja an den Rollen gedreht und die drehten sich nicht so gut. Drei Tage später kommt der gleiche Mensch erneut in den Laden. In der Hand ein nagelneues, optisch wunderschönes Board. „39 Euro bei A… ,“ beifallheischend schaut der gute Mann aus der Wäsche. Sein Blick verrät aber die kleine Bitte. Bessere Kugellager wären schön. Nach ausführlichem Test werden dann Rollen, Lager und Achsen ersetzt. Das Brett selbst gefällt. Ist es doch laut Verkäuferbeschreibung ein „Longdistancedownhillsurfskatedancer für Freestyleskateboarding im Park“. Dass es keinerlei Flex hat und einen Shape, der eher nichtssagend ist, spielt da gar keine Rolle.

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Glaub nicht jeden Unsinn, der auf den Seiten im Netz von sich gegeben wird. Checke die Referenzen. Wenn es sich um Affiliate Seiten handelt – wegklicken! Im besten Fall ist das KnowHow von Fachmagazinen wie dem „ 40inch Longboardmagazin“ oder den Onlineausgaben des „Concrete Wave Magazin“ gestohlen.

www.longboard-einsteiger.de ist ein Beispiel für die Kommerzialisierung des Sports. Als beliebtestes Board wird ein Stuntscooter angeboten. Gefolgt von einem weiteren Scooter. Es folgen Boards von Jucker Hawaii (der Brand baut tatsächlich Boards, die ganz ok sind. Wobei das Modell Makaha nicht unbedingt erste Wahl für Einsteiger sein sollte). Dann folgen Marken wie Apollo, Atom, Ridge Maxofit und Globe. So geht es dann immer weiter. Bis auf den letzteren Brand dürfte es keine der Marken in den Fachhandel schaffen. Aufklärung verschafft oft auch ein Nennen dieser Namen in den einschlägigen Foren. Mit Glück wirst du nicht gleich gebannt.

Aber mal ernsthaft. Als Einsteiger wirst Du Dich nicht gleich auf ein ganz bestimmtes Segment, wie Downhill oder Freestyle stürzen. Dein Thema wird sein, auf dem Board Spaß zu haben, von A nach B zu pushen und eine Menge Spaß zu haben. Spaß kannst Du natürlich auch beim Downhillskaten haben. Doch hier solltest Du Dich an eine Rollrunde in der Umgebung wenden, die Dir dann gerne Tips und Hinweise gibt. Sich mit 60 Sachen abzuledern kann lebensgefährlich sein.

Aber das will ja niemand. Umso wichtiger ist das Verstehen, warum ein gutes Board gutes Geld kostet. Dazu müssen wir das Completeboard einmal in seine Einzelteile zerlegen. Alleine das Achsenset einer bekannteren Marke wie Paris oder Bear liegt bei rund sechzig Euro oder mehr. Unsere Rollenempfehlungen, unabhängig davon ob es Seismic, O-Tang oder Hawgs sind, finden sich im Bereich zwischen siebzig und hundert Euro. Dann fehlen aber noch Kugellager, Deck, Griptape, Schrauben und Muttern und Spacer und die Montage. Das alles hat seinen Sinn. Sicherheit und Qualität gehen meiner Meinung nach vor Preisgeilheit. Einen Konsens findest Du eventuell in den Gebrauchtmarktbörsen.

Wir haben uns in den letzten Jahren mit einigen Herstellern ausgetauscht. Vom High-End-Carbon-Foamie Helden bis hin zum China-Importeur. Die Quintessenz, was ein gutes Einsteigerboard ausmacht war identisch. Wenn auch die Qualitätsmerkmale vielleicht auch nicht auf dem gleichen Nenner waren.

Das optimale Board für den Einstieg

Eines ist klar. Es definiert sich nicht über den Preis. Und für Kinder ist es eben nicht das Pennyboard, nur weil es klein und bunt ist. Wir reden von einem Sportgerät.

DECK

Also fangen wir mit dem Aufbau des Brettes an. Für Einsteiger empfehlen wir ein Longboard, das einen niedrigen Schwerpunkt hat und somit eine sehr stabile Plattform bietet und sich leicht pushen lässt. Dies erreicht man in der Regel mit einer Dropthrough-Montage (d.h. die Achsen werden durch das Board gesteckt montiert und dadurch wird das Board quasi tiefergelegt). Flex (also das Durchbiegen des Boards bei Belastung) muss nicht sein, darf aber. Falls ihr nicht unbedingt gleich den Berg hinunter Sliden wollt, ist dies kein Problem. Nur zu viel Flex sollte es nicht sein. Das Rollen auf einem sehr flexiblen Deck wird von vielen Boardern als sehr unruhig wahrgenommen.

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Concave (konkave) ist, einfach formuliert, die Aufbiegung an der Seite des Decks. Je stärker diese ausgeprägt ist, desto mehr Hebel habt ihr, um auf die Achsen Druck auszuüben. So lässt sich die Richtung schneller ändern. Falls das Concave zu stark ausgeprägt ist, kann es je nach Schuhgröße auf die Dauer unbequem werden. Auch hier gilt zunächst: Ein Mittelwert ist der beste Weg. Materialtechnisch ist der Phantasie der Hersteller keine Grenze gesetzt. Carbon, Schaum, Ahorn, Birke, Eschenkern, Bambus. Es geht immer noch teurer, noch ausgefallener und exclusiver. Nehm Ahorn oder Bambus. Dann bist Du auch preismäßig bestens bedient. Später bleibt ein Aufrüsten nicht aus. Aber bevor Du nicht weißt, wohin die Reise geht, tun es Materialien, die seit Jahrzehnten den Markt beherrschen.

Kurz zusammengefasst:

– Drop Through

– wenig Flex

– wenig Convace

– Ahorn oder Bambus

ACHSEN (TRUCKS)

Die typischen Longboardachsen für obige Boards dürften 50° Grad – 180 mm Reverse King Pin Achsen (RKP) sein. Auch hier wieder der Tipp, die Achsen im Shop zu testen.

Warum? Es liegt in erster Linie an der Härte der Bushings (Lenkgummis), die in den Achsen verbaut sind. Bewährt haben sich Achsen wie Paris Trucks, Bolzen Trucks oder Bear Trucks, deren Bushings ab Werk (Stockbushings) schon relativ leicht zu lenken sind. Es gibt noch sehr viele andere sehr gute Achsenhersteller, die ebenfalls sehr leichtgängige und präzise verarbeitete Achsen anbieten.

Besonders bei günstigen Komplettbrettern, die im Internet gekauft wurden, ist die Enttäuschung groß. Da wird plötzlich aus dem ach so günstigen Schnäppchen ein Brett, das nur geradeausfahren kann. Der Grund sind in der Regel die Lenkgummis. Hart wie Billardkugeln sitzen sie auf dem Kingpin und verhindern jegliches Einlenken. Wir haben manchmal das Gefühl, dass die Bushings nach Farben und nicht nach Funktion ausgewählt werden. Die Deckunterseite ist türkis? Dann brauchen wir türkise Lenkgumis! Sieht super aus! Lenkt nicht? Egal, merkt ja keiner. Denn Einsteiger denken sich, dass dieser Lenkradius von drei LKWs normal wäre.

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ROLLEN (WHEELS)

Alle heutzutage hergestellten Rollen haben eines gemeinsam: Sie werden aus Polyurethan gebaut. Ein Stoff, der in Deutschland in den 40er Jahren entwickelt wurde, jedoch erst Anfang der 70er Jahre für das Skateboarden entdeckt wurde. Es gibt keinen Standard für die Hersteller, und so mixt jede Fabrik ihr eigenes Urethansüppchen. Die einen machen es schmackhaft, die anderen kochen weniger lecker. Dinge wie abgerundete Lippen, angerauhte Oberflächen oder Sideset, Offset ect. vernachlässigen wir erst einmal. Für den Einsteiger sind das böhmische Dörfer und oftmals verwirrend. Wenn ihr also nicht unbedingt sofort in die oben genannten Disziplinen wie Downhill, Slalom oder Techslide einsteigen wollt, so tun es Rollen, die folgende Präferenz haben:

78 – 82a Durometer Härte. Mit Duromoter wird die Härte angegeben. Sind die Rollen zu hart, spürt ihr jede Unebenheit im Asphalt gleich doppelt. Sind die Rollen zu weich oder seid ihr zu schwer, verformen sich die Wheels und rollen nicht mehr schön. Aber da müsst ihr schon einiges an Gewicht auf das Brett bringen.

Aber auch hier liegt der Teufel im Detail. Auf die Rollen kann jeder drucken, was er will. Da es keine genaue Richtlinie gibt, die aussagt, wie Durometer definiert werden, ist es schwierig. Bleibt euch nur, auf das zu vertrauen, was der Hersteller angibt. Es gibt Firmen, die unumstritten sind wie ABEC11 oder Seismic. Diese haben Standards gesetzt, auf die man vertrauen kann. Dazu zählen natürlich auch andere Hersteller wie Cult aus England, Orangatang aus den USA und so weiter. Und nicht zu vergessen deutsche Hersteller wie Olson&Hekmati. Die Liste könnten wir endlos weiter führen. Feststellen kannst Du die Unterschiede als Anfänger ohnehin nur, wenn Du die Teile testest. Und die sogenannten Billigmarken? Teste sie, ihr werdet sehen.

Was ist der Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Rolle?
Auf den ersten Blick gibt es keinen. Doch sobald Du die ersten zwanzig Meter gerollt bist, bemerkst du die unterschiedliche Performance. Die teure Rolle komprimiert und dekomprimiert bei jeder Umdrehung und sorgt für den Vortrieb. Die hölzern wirkenden Billigrollen komprimieren noch nicht einmal, wenn du mit dem Auto drüber fährst. Ein Rebound ist kaum vorhanden. Um es einfach zu beschreiben. Nehme mal eine Standardskateboardrolle in die Hand und lass diese aus einem Meter Entfernung auf den Boden fallen. Sie wird unwillig einmal hoppeln und dann eventuell ein wenig durch die Gegend rollen. Einer hochwertigen Longboardrolle wirst Du hinterherrennen, weil Du denkst, sie haut Dir das Geschirr vom Regal.

Die Größe der Rolle ist wiederum abhängig vom gewünschten Shape (Form) des Decks.

Eine zu große Rolle produziert unter Umständen Wheelbites (Rolle berührt das Deck – und ihr den Asphalt). Eine zu kleine Rolle sieht nicht nur lustig aus, sie lässt euch auch permanent pushen.

Dazu eine einfache Faustregel:

Große Rolle – schwerer in Gang zu bringen – aber läuft länger.

Kleine Rolle – leichter in Gang zu bringen – läuft nicht so lange.

Weiterhin lassen euch große Rollen über Unebenheiten fahren, was kleine Rollen naturgemäß nicht tun. Es kann schon mal passieren, dass ihr dann an Steinen hängenbleibt oder dem Lieblingsfeind des Longboarders im Herbst, an Kastanien. Im Internet gibt es hunderte von Bildern, die einen kleinen Stein zeigen, der wie ein Kometenschweif einen Kratzer auf dem Asphalt nach sich gezogen hat. Unter Umständen garniert mit ein paar Blutstropfen.

Auf den meisten Completeboards sind 69 bis 72mm Rollen montier,t mit einer Durometerangabe von 78a bis 82a. Dies ist grundsätzlich ein passendes Setup!

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KUGELLAGER (BEARINGS)

Es ranken sich Legenden und Mythen um diese kleinen Teile, die in die Rollen eingebaut werden.

ABEC-11 wäre das Beste, ABEC-3 taugt nichts und Lager, die aus Vollkeramik bestehen, sind die Krone der Schöpfung.

Zuviel Schwarz/Weiss Denken. Vom Industrielager, bis hin zum günstigen Keramiklager kann alles genutzt werden. Unterschiede bei den Herstellern sind logischerweise vorhanden; ein gutes ABEC-3 Lager ist einem schlecht gebauten ABEC-9 vorzuziehen. Aber woher sollt ihr den Unterschied wissen? Genau! Deshalb: Im Shop fragen! Es gibt Hersteller, die gar keine ABEC-Bezeichnungen mehr auf den Lagern haben. Oft ist dieses Merkern mit ABEC Zahlen nur ein Marketinggag, um Qualität vorzugaukeln.

Und nicht vergessen: Spacer (kleine Metallhülsen, die auf die Achse gesteckt werden und die Lager vor Schäden bewahren) sollten auf jeden Fall dabei sein.

Grob zusammengefasst könnte euer Einsteigerboard also so ausschauen:

– Dropthrough mit nicht zu viel Flex und leichtem Concave.

– 180mm RKP Achsen und angemessenen Bushings

– 70mm Rollen in 78 – 82a Durometern

– Kugellager, die Euer Shop Euch empfiehlt

Warum wir die Shops immer wieder betonen? Jedesmal, wenn ein Shop schließt, verlierst Deutschland ein Stück Skateboardkultur. Sie gehören zum Stadtbild, genau wie ein Skatepark. Oder auch: Erst wenn der letzte Shop geschlossen wurde, werdet ihr merken, dass ihr mit Euren Skatebuddies bei Amazon kein Bier trinken könnt.

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